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Wie ich den Podcast erfunden habe. Und YouTuben. Vom „Kreativ sein“.

14.01.2019

Vor 40.000 Jahren nahm einer unserer Vorfahren, nennen wir ihn Bettina, irgendein Werkzeug und malte mit irgendeiner Farbe einen Büffel an eine Felswand in der El-Castillo-Höhle im heutigen Spanien. Das war es. Danach hat niemals jemand wieder einen Büffel gemalt. Es gab ja schon den einen.

Der erste und letzte Büffel, der jemals gemalt wurde.

Gebildete Leser werden anmerken wollen: Das stimmt ja gar nicht und ich habe mir das ausgedacht. Also, nicht das mit Bettina, aber dass nach seinem Kunstwerk niemals jemand wieder einen Büffel gemalt hat.

Allein Pablo Picasso – quasi ein Landsmann von Bettina – hat viele großartige Stier-Bilder gemalt. Und ich behaupte, dass so ein gescheiter Mensch wie dieser Mitbegründer des Kubismus sehr wohl Kenntnis von den El-Castillo-Höhlen hatte. Also sich einfach gedacht hat: „Pustekuchen. Ich male jetzt trotzdem eine Kuh. Ist mir egal, wie viele es schon gibt. Ja. Ich habe Bock auf Kühe.“ Eventuell haben dieses Wissen um Höhlenmalereien und Pablo Picasso zwar nicht alle Menschen, die hinter den zehntausenden Suchergebnisse stecken, die man bekommt, sucht man heute im Web nach „Büffel Zeichnung“. Dennoch können wir festhalten: Nur, weil Bettina diese Zeichnung an den Stein gebracht hat, konnte das ungezählte ihrer Nachfahren auf dem gesamten Globus nicht abhalten, es ihr nachzueifern.

Warum aber machen sich Menschen überhaupt die Mühe, sich mit etwas auseinanderzusetzen, dass jemand anders schon vollbracht hat? Wenn es manchmal sogar in scheinbarer Perfektion vorliegt. Mit der Zeit, die man da hineininvestiert, könnte man doch so viele andere Dinge anstellen.

Tatsächlich ist das ein Einwand, dem ich regelmäßig begegne. Sowohl wenn andere mir von ihren Ideen erzählen und einen halben Atemzug später erörtern, warum sie doch lieber gar nicht erst über die nächsten Schritte für deren Umsetzung nachdenken. Aber auch oft genug in meinem eigenen Schaffen. Der Einwand, dass es das doch schon gibt. Und oft eben in einer herausragenden Qualität, die man nur mit sehr viel Spucke und Zeit erreichen könnte. Das wäre dann ja nicht der Mühe wert.

Ich verfolge hier einen ganz konkreten Ansatz.

Wie ich YouTuben erfunden habe. Und den Podcast.

Gute zweieinhalb Jahre vor diesem Blog-Post habe ich mein erstes richtiges YouTube-Video online gestellt. Anfang 2018 sogar zwei Podcast veröffentlich. Und damit zuerst das Konzept Online-Video und später das Podcasting erfunden. Was exakt so die Wahrheit ist.

… von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet.

Natürlich ist diese Behauptung, dass ich das erfunden habe, genau so ein Blödsinn wie die Geschichte von Bettina und Pablo.

Der Podcast zum Beispiel wurde 2000 von Tristan Louis und Dave Winer erfunden und hat als Medium somit momentan fast zwei Jahrzehnte auf den Buckel. 2005 bettete Apple dann den Podcast als festen Bestandteil in ihr iTunes-Ökosystem ein und machte ihn damit populär. In Medienjahren ist diese Zeitspanne eine Ewigkeit, in der das Medium durch die großartige Arbeit tausender Menschen nicht nur endgültig etabliert, sondern perfektioniert wurde. Heute gibt es zu jedem erdenklichen Thema einen Podcast.

Warum also noch ein Podcast? Noch ein YouTube-Channel? Noch ein Blog. Ein Buch. Ein Unternehmen XYZ. Wenn es doch so viele sehr gute gibt? Oder besser gefragt: Weshalb gleich die Behauptung, ich, Markus Freise, hätte das Podcasting und YouTuben erfunden?

Einfach weil es ein ganz gutes Gedankenspiel ist, um meinen Umgang mit neuen kreativen Spielfeldern darzulegen. Ich stürze mich in diese, als wäre ich der allererste Mensch, der das macht. Soweit wie das möglich ist.

Niemand ist eine Insel. Vor allem Kreative nicht.

Warum das eigentlich aber nicht möglich ist:

Auch wenn wir Kreativen gelegentlich das Banner des sich zurückziehenden Einzelgängers mit uns tragen müssen, arbeitet niemand von uns auf einer einsamen Insel. Wir sind durch die Auseinandersetzung mit unseren jeweiligen Disziplinen einem steten Strom an Eindrücken und Inspirationen ausgesetzt. Alles steht ständig miteinander in Verbindung, resoniert und schwingt. Wir können uns diesem nicht widersetzen. Wir wollen das auch gar nicht. Das wäre auch dumm. Diese dringend notwendige Inspiration, sowohl gezielt einverleibt als auch von ungefragt von Außen zugetragen, liefert uns ununterbrochen die Zutaten für unser täglich Brot: das Kreativunternehmertum. Ganz gleich, ob sehr spezialisiert oder eher generell.

Dabei schauen wir natürlich nicht nur auf unseren Teller, sondern eben auch über den Tellerrand hinaus. Die Welt ist voll von Kreativen. Und die Demokratisierung des Publishing, vor allem im vergangenen Jahrzehnt durch entsprechende Plattformen und die Verteilung und Vermarktung durch Social Media, bietet Kreativarbeitern und Kreativunternehmern die Möglichkeit, sich zu jedem Zeitpunkt potenziell einem Milliardenpublikum zu präsentieren. Weltweit. Über alle kulturellen und sozialen Aspekte hinaus.

Aber für einen Kreativen, der dies Schaffen aus dem Herz macht, ist dies Publikum gar nicht der Motivator. Es ist die Neugier des Kreativen, immer wieder etwas Neues zu probieren. Mit jedem Text. Mit jedem Bild. Jedem Cartoon oder Videoclip. Etwas, dass es zwar in Form und Medium schon gegeben hat. Nur eben genau so noch nicht. Und nicht von ihm oder ihr. So entsteht aus dutzend altem immer etwas Neues. Das dann wieder andere inspiriert. Und so fort. Es ist ein endloser Kreislauf, der jedoch niemals mehr am Startpunkt enden wird.

Bleib neugierig. Bleib kindisch.

Einer der sechs Werte, die ich als Fundament meines Lebens betrachte, passt hier perfekt rein: Es ist die Neugier. Ein anderer ist Entwicklung. Und ein dritter die Inspiration. (Komplettiert von Unabhängigkeit, Ordnung und Genügsamkeit. Warum die auch für einen Kreativen wichtig sind, erörtere ich gerne ein andermal.)

Neugier, die Gier nach Neuem, ist ein höchst kindisches Verhalten. Hat mein Therapeut mir gesagt, als ich mit ihm über meine Werte sprach. Kinder kennen Begriffe wie „Status Quo“ nicht. Für die Kinder ist die Welt so wie sie diese vorfinden neu und frei von Konzepten. Kinder beenden Dinge nicht. Sie fangen ständig etwas Neues an. Probieren Sachen aus. Probieren sich aus. Dabei fallen sie hin. Schlagen sich die Knie blutig. Stehen auf. Und laufen weiter zum nächsten „Ding“. In dieser krass großen Welt.

Dieses Verhalten ist essenziell für ihre Entwicklung – man nennt das auch „Lernen“. Nur wer sich traut, trotz blutigen Knien und einem von Dreck verschmiertem Gesicht rotzfrech wieder aufzustehen, kann das nächste Abenteuer beginnen. Alle anderen bleiben liegen. Halten sich die Knie. Und bejammern sich. Während im Hintergrund irgendeine Game-Show läuft oder eine Serie gelangweilt vor sich hinbinget. Uninspirierter kann man nicht leben. (Woanders erfindet übrigens gerade jemand, blutend, den nächsten heißen Scheiß.)

Nur Erwachsene kommen mit heilen Knien durch den Sommer. So sehr ich es auch versucht habe, in den vergangenen Jahren mich wie einer dieser „Erwachsenen“ zu fühlen, die nie hinfallen, es ist mir nicht gelungen. Das hat mich tatsächlich gequält. Weil ich dachte, dass das nun endlich an der Reihe sein muss. Stattdessen: Ich bin längst über die 40 hinaus, nicht sehr weit entfernt von der 50, und noch immer fühle ich ständig diesen kindischen Drang herauszugehen und mir die kreativen Knie aufzuschlagen.

Jetzt habe ich lernen dürfen, dass das für mich gar nicht gehen kann, diese spezielle Form des „Erwachsenwerdens“. Weil dieses kindische Verhalten eben in Resonanz mit meinen sechs fundamentalen Werten steht. Und, ja, will man werden, muss man bereit sein, einiges zu opfern. Oder etwas freundlicher betrachtet: Zurücklassen.

Die eigenen Werte sollten das aber auf keinen Fall sein.

Und nun bin ich neugierig, was du dazu zu sagen hast. Gerne hier unten in den Kommentaren.

Bild „Castillo“ von Gabinete de Prensa del Gobierno de Cantabria.

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