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„F*ck you, Bonzo!“ Wie man aus quälenden Gedankenschleifen herauskommt (… oder gar nicht erst hinein.)

15.08.2022

Jede:r kennt sie: Irrationale Ängste, die uns in den unmöglichsten Situationen begegnen und niederringen. Unseren Schlaf rauben. Sie erzeugen einen Sog an Sorgen, der uns unvermittelt packt und in die tiefsten Abgründe unserer guten Seele hinunterzieht.

Machste nix? Doch: In diesem Blogpost möchte ich Dir eine spannende Methode vorstellen, wie Du dem entgegen trittst und mehr Souveränität über Dein Denken und damit Dein Leben zurückgewinnen kannst.

Den Stimmen im Kopf begegnen

Die Themen, die uns in diesen Sorgenstrudel saugen, sind so kuntergrau gemischt, wie wir es als Gesellschaft sind. Bei der einen sind es ständige unschöne Dialoge mit der intrinsischen narzisstischen Mutter. Beim nächsten diffuse Sorgen um die Lieben. Jemand anderes ist ein medizinisches Wunder, weil sie im Prinzip schon alle Krankheiten, die es gibt, „überlebt“ hat.

Was uns alle eint: Im Grunde fürchten wir ständig um unsere Existenz. Von deren Berechtigung über ihr Erleben bis hin zu dessen vermeintlichen Ende.

Der kreischend laute Gedankenzirkus

Bei mir als Kreativunternehmer, und einfach als Unternehmer, ist es immer wieder der quälende Gedankenreflex: „Na, ganz sicher, dass Du genug Aufträge hast? Und überhaupt, bist Du sowieso bald bankrott. Tja.“ Manchmal ist dieser Gedankenzirkus so kreischend laut und aufdringlich, dass an ein normales Leben, Denken nicht zu denken ist. Meist in Situationen, wie sie unangebrachter nicht sein könnten. Im Supermarkt, beim Familienfrühstück oder eben nachts um 3:24 Uhr.

Mein Therapeut hat einmal gesagt, dass mir diese Sorge nun aber auch bei meinen beruflichen Neustart 2012 geholfen hat, als Jungunternehmer nicht wieder total zu überdrehen. Wie in meinem 20ern. Da war ich auch mal Freiberufler. Und habe das, um es offen auszusprechen: Mächtig vor die Wand gefahren.

So helfen mir eben meine Ängste, so mein Therapeut, die wichtigen Dinge und Zahlen im Blick zu halten und an den richtigen Stellen vorsichtiger zu sein, als es vielleicht notwendig wäre. Denn Vorsicht ist noch immer die Mutter der Porzellankiste. Leider aber hat sich irgendwann aus meiner „Vorsicht“ eine zwanghafte Attitüde entwickelt immer wieder alles in Frage zu stellen und nachzurechnen, die ich nicht mehr als nützlich, sondern als das eigentliche Leben zu oft behindernd betrachte.

Hello darkness, my old friend … it is what it is.

Nun bin ich aber auch Stoiker und wir Stoiker leben in vorderster Linie nach dem Motto „It is what it is.“ Ein Satz, der zu oft fehlinterpretiert wird mit: „Tja. Ist halt so. Pech gehabt. Machste nix. Hello darkness, my old friend … usw.“ Wie gesagt: Das ist kein Stoizismus. Das ist Resignation.

Die Grundaussage des Stoizismus „It is what it is.“ ist nicht als resigniertes „Ach.“, als ein „Aufgeben“ zu verstehen. Es ist viel mehr so gemeint: „Ja. Schau hin. Das ist alles exakt genau so, wie es sich darstellt. Das Problem ist offensichtlich und transparent. Let's go! Was kann ich tun? Wo ist die Lösung?

Oder gibt es doch eine Rettung?

Also: Wie geht man adäquat um, mit diesen quälenden, unnötigen Gedanken, die einen nicht mehr loslassen wollen und einem das Mind buchstäblich vollsauen?

Wo ist die Lösung für dieses all zu menschliche Problem?

Complaining is for losesrs – einer meiner liebsten Leitzsätze, abgeleitet aus dem Stoizismus.

To the rescue: Emma McAdam

Die Antwort begegnete mir in Form eines Videos der Therapeutin Emma McAdam – auf Ihrem YouTube-Kanal „Therapy in a nutshell“. In diesem Film erklärt Emma, wie man dem „Overthinking“, also dem Kreisen der Gedanken begegnet. In a nutshell: Zu Anfang über einen reaktiven Ansatz, der greift, wenn man bereits wieder aus dem Strudel heraus und erschöpft, aber am Leben, zurück in den ruhigen Gewässern seine Seele ist. Später dann, wenn man sich der Methode bewusster ist, proaktiv. Also bevor der Strudel einen packt.

Schau Dir dazu dieses Video – oder überspringe es. Und gehe weiter zu meinem Recap drunter.

Emmas Video im Recap

Lass mich den Kern von Emmas Video rekapitulieren. Inklusive einiger eigener Gedanken:

  • Im ersten Schritt ihrer Methode geht es darum, dass Über-Denken nachträglich, wenn es verstummt ist, als solches zu identifizieren: „Oh. Ich war gerade in einem Gedankenkarussell gefangen. Wie ärgerlich und unnötig. Ist ja gar nichts passiert.“

  • So kann man rückblickend Handlungen und Muster identifizieren, die darauf hindeuten, dass man in Gedankenschleifen und Überdenken steckt. Oder dass sich diese Muster anbahnen. Bei mir – siehe Existenzangst oben – ist das zum Beispiel der Fall, wenn ich innerhalb kürzester Zeit mehrfach alles noch einmal und noch einmal durchrechne. Auch, wenn ich unnötig zynisch auf meine Mitmenschen reagiere. Oder, im Kleinen, ständig das iPhone nehme und (wirklich) lethargisch doomscrolle. Das sind eindeutige Zeichen, dass ich mich unwohl fühle und sich meine Anxiety anbahnt.

  • Hast Du diese Muster identifiziert und achtest darauf, kannst Du bald proaktiv vorab erkennen, wenn eine erneute Welle auf Dich zurollt. Bring dich dann sofort in Sicherheit! Gehe in alternative Situationen, in denen Du und Deine gute Seele sich wohl fühlen. (Bei mir ist das Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Oder Laufen gehen in den Wald. Oder einfach so in den Wald. Ganz klar auch malen oder schreiben. Nach dem Motto: „Stillness is the key!“ Definitiv ist es nicht, noch mehr zu arbeiten oder noch mehr zu rechnen oder sinnlos in Bildschirme zu starren.)

  • Letztlich geht es darum, die Anxiety als Teil Deines Wesens anzunehmen. Man kann sie nicht einfach „loslassen“ und dann ist die weg. Sie ist das Ergebnis eines Lebens oder vielleicht sogar eines ganzen, Generationen übergreifenden Systems. Ja, als so dramatisch müssen wir drauf schauen und sie genau so ernst nehmen. Um sie eben dadurch auch als etwas zu identifizieren, dass heute und mit Dir, die und der Du bist vermutlich nichts mehr zu tun hat. Man wird seine Anxiety nicht los, nur weil man sich dazu „entscheidet“. „Akzeptanz“ ist hier vielmehr der Schlüssel.

  • Denn es geht viel mehr darum, das Muster und die damit verknüpften Themen aus dem eigentlichen Denken auszukoppeln. Die sprichwörtliche Lösung für das „Problem“, dass dich ständig so martert, steckt nicht in den Themen der Angst und den Gedankenschleifen selber. Betrachte die Anxiety wie etwas Externes, dass zwar Teil Deiner Historie und vielleicht der Legende Deiner Familie ist (bei mir ist das so) und damit auch ein Teil Deines Wesens und Deiner Vergangenheit. Aber eben nicht als Teil Deiner Gegenwart. Formuliere dazu Gedanken wie „Oh. Ich denke gerade über XYZ nach. Interessant. Was mir das wohl sagen will!?“

  • Werde zum reinen Beobachter Deiner Angst.

  • Werde nicht zu ihrem gelähmten Opfer.

  • Und dann das noch, der Gamechanger:

Meet the gamechanger: Bonzo.

  • Der beste Ratschlag den Emma hat, ist aber der finale: Gib dem Gefühl einen Namen. Also einen richtigen Namen. Sie nennt als Beispiel „Billy Bob“. Irgendeinen Namen, der zu dem Gefühl passt. Der ihr/ihm/es ein Gesicht, einen Charakter gibt. Von diesem Zeitpunkt an kannst Du Sätze sagen/denken wie „Oh. Billy Bob, die alte Knalltüte, steht vor der Tür. Den lasse ich heute nicht rein. Der nervt nur.“ Oder „Billy Bob war wieder da und hat meinen Tag hinterlassen wie einen vollgeschissenen Saustall. Mit dem will ich nichts zu tun haben. Arschloch!“

Meine Anxiety, die heißt seit einigen Wochen „Bonzo“. Der Name ist mir zugeflogen. Einfach so. (Wie Kreativität eben geht.) Ich habe mir Bonzo dann mal angesehen. Bonzo, der ist irgendetwas „clowniges“ von Dorfzirkus bis Pennywise. Aber auch ein wenig Tyler Durden (beide), Wolf of Wall Street, vielleicht auch American Psycho. Und auch Anteil meines mittzwanzigjährigen verunsicherten Ichs. Gemalt von Joschau Sauer und Gottfried Helnwein und Hieronymus Bosch.

Und obwohl ich Bonzo für den Moment, da er mich heimsucht, in mir leben lasse, ist Bonzo nicht mein Freund. Bonzo ist der ungeliebte, schrille, ungebetene Gast auf der Party, den ich nicht loswerde und der alle anderen lieben Gäste abnervt. Den ich aber doch nicht rauswerfen kann.

Bonzo ist die zweifelnde, nagende Stimme, die immer da ist. Nah an meinem Ohr. Und meiner Seele. Die aber seit kurzen nur noch mit mir redet und eben nicht ich ist. Manchmal höre ich zu. Meistens nicht.

Das ist mein Bonzo, die alte Pfeife.

Wie wirst Du Deine Anxiety nennen?

Danke.

Für Deine Zeit, das hier zu lesen. Freue mich, wenn Du mich beim nächsten Treffen darauf ansprichst und wir uns dazu austauschen wollen. Oder schreib mir gerne Deine Gedanken oder Fragen dazu an markus@freise.de.

Hab noch einen tollen Tag.

Photo by roman raizen on Unsplash.

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