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Dieses kreative Paradoxon: Wenn man vor lauter Ideen nicht weiter weiß.

04.06.2022

Kreative Menschen haben nie „keine Idee“ sondern meistens viel zu viele davon. Das kann lähmen. Zurück bleibt eine Leere und ein:e unzufriedene:r Kreative:r. Was man dagegen tun kann und wie man dieser Lähmung entkommt: Liest Du in diesem Blog-Post.

Es gibt da eine Geschichte über Tom Waits, die ich mal gelesen habe. In der geht es um ein Drama, das jede:r Kreative kennt. Die Geschichte geht so:

Tom Waits war unterwegs in seinem Auto in L.A. und fuhr einen Freeway entlang. Während er da so gelangweilt vor sich hin fuhr, kam ihm schlagartig eine Idee für ein neuen Song. Aus dem Nichts. So wie Ideen eben meist auftauchen, aus der Langeweile heraus.

Also kramte Waits im Auto nach einer Möglichkeit, seine Gedanken festzuhalten. Für später, wenn er wieder im Studio wäre, um sie an der Realität abzuarbeiten. Aber er fand nichts. Keine Zettel, kein Diktiergerät. Man muss wissen: Das war vor der Smartphone-Ära. Also konnte er ihn auch nicht einfach irgendwo reinsingen. Oder wie Musiker ihre Ideen festhalten. Keine Ahnung.

Hilfe, ich habe schon wieder eine Idee!

Auf jeden Fall wurde er rasend vor Sorge, diese eine, diese wahnsinnig gute Idee wieder zu verlieren.

Doch so wie dieses Songfragment aus dem Nichts erschien, hatte er eine weitere Eingebung: Dass das so auch völlig okay war, wie es war. Was hatte er zu befürchten? Ihm als Kreativen fielen sowieso ständig Ideen zu. Jederzeit und überall. Und dass er deshalb diese eine Idee, ganz gleich wie genial sie schien, ziehen lassen konnte.

Die nächste Idee war sicher schon im Anflug. Denn: So funktioniert ein kreativer Geist. Das macht uns Kreative aus. Es ist eventuell sogar das wesentlichste Talent, das uns eint: Ein nie endender Strom an Ideen. Ja: Es wird für uns niemals zu wenig Ideen geben, ganz gleich wie sehr wir feststecken.

Wenn wir als Kreative ein Problem haben, dann also nicht, dass uns die Ideen ausgehen könnten. Eher haben wir zu viele davon. Darum soll es in diesem Blog-Post gehen. Um ein Werkzeug, das Du einsetzen kannst, wenn Du vor lauter Ideen irgendwann nicht mehr weißt, wo Du anfangen sollst.

Sei kein:e Idiot:in. Mach was draus.

Ein anderer Kreativer und eine kürzere Geschichte: Casey Neistat, der YouTube-Gottvater, sagte einmal „Jeder Idiot kann Ideen haben. Doch den Unterschied machen jene, die ihre Ideen auch angehen.“ (Dieser Satz hat mich so abgeholt, dass ich um ihn herum mein Coaching für Deine Idee gebaut habe.)

An all das musste ich denken, als ich das Video des Filmemachers Van „The Spirited Man“ Neistat (wirklich hier zufällig der Halbbruder von Casey Neistat) gesehen hatte. Van begegnet in diesem Video jenem Dilemma. Er hat einen buchstäblichen Ordner voll mit Ideen und Möglichkeiten, sein Können als Bastler und Filmemacher auszuleben. Er kann sich nur nicht entscheiden, was er als nächstes angehen soll. Dabei weiß er, dass das dringend notwendig ist. Um seinen Drang auszuleben zu machen und um seinen YouTube-Kanal voranzubringen. Damit er letztlich – als Kreativunternehmer – genug Geld verdient, um die notwendigen Reparaturen an seinem Pick-Up durchführen kann. Damit er – als Ziel aller seiner Ziele – damit endlich seine Familie quer über die amerikanischen Kontinente nach Panama fahren kann.

Dir als Kreativunternehmer:in dürfte das sehr bekannt vorkommen. Dieser Konflikt, nicht zu wissen, welche Aufgabe denn jetzt als nächstens angegangen werden will, sollte, müsste. Alle sind toll. Und jede toller als die andere tolle. Jede ist wichtiger als jede weitere wichtige.

Doch wenn jede und jeder in der Klasse aufzeigt und wild schnippt „Ich! Ich! Ich!“, dann zeigt irgendwie auch keiner auf. Dann weiß der Lehrer auch nicht, wen er dran nehmen soll. Oder? So ist das.

Bevor es losgeht: Die Geschichte von Van Neistat – und irgendwie die von allen Kreativen

Van hat seinen YouTube-Kanal „Spirited Man“ gut ein Jahr zuvor gestartet. Seine Geschichte in Kurfassung, bis zu jenem Zeitpunkt, geht so, dass er mit Casey Anfang der 2000er die erfolgreiche HBO-Serie „The Neistat Brothers“ hatte, in New York lebte, dort dem Alkohol zuerst verfiel und wieder davon loskam. Schließlich pleite und ohne Perspektiven floh er von New York nach L.A. Seit vielen Jahren drogenfrei startete er in 2020 eine Kickstarter-Kampagne um den Anfang seines YouTube-Kanals vorzufinanzieren. Mit, zum Zeitpunkt dieses Blogposts, fast einer halben Million Abonnenten kann er bereits einige Monate später wieder mit der Sache Geld verdienen, die er als ein Neistat-Brother am besten kann: Mit Kreativität und einem unfassbaren Talent fürs Storytelling Filme zu machen. Das in einer Qualität, die herausragend ist. — Dennoch, zwischen all der Genialität und den oft warmherzigen Stories, luken hier und dort in seinen Videos immer wieder seine Dämonen hervor.

Somit ist sein Kanal nicht nur kreatives Outlet, sondern auch Trigger für seine dunkle Seite und vermutlich Therapie zugleich. Stets droht das eben aufgebaute zu zerbrechen. Nicht wirklich. Aber man spürt in vielen Videos seine Anspannung. Diese Angst, das alles wieder zu verlieren. Er will das schaffen. Schon alleine wegen Panama. Mit dieser Prämisse startet das Video, um das es hier geht:

Raus aus dem Ideen-Stau

Was Van in dem Video letztlich tut um seiner Unentschiedenheit („Indecision“) zu entkommen ist verrückt vielschichtig:

Er wirft alle seine Ideen in Form von Lotterie-Kugeln in seine, aus einer Wasserflasche und einem Laubbläser, selbst gebaute Lotterie-Maschine und lässt das Glück entscheiden. Es ist dann diese zweite Ebene, die mich hat jubilieren lassen: Das Van Neistat ein Video über die Entstehung der Maschinen macht, die den Stau beseitigen soll, und damit den Stau beseitigt. Rekursiver Wahnsinn.

Getting unstuck

Vielleicht ist das ein guter Weg aus jener seltsamen Prokrastination, in der wir Kreative manches mal stecken. Diesem Stau. Wenn wir nicht zu wenig Dinge haben, die wir tun könnten, auf die wir auch wirklich Bock haben, sondern zu viele.

Das kann sich um die kleinen und großen Projekte als Kreativunternehmer:in handeln. Um Side-Gigs in unseren Kellerateliers. Oder auch um persönliche Rekreation im Sinne von „Was machen wir heute mit diesem faulen Sonntag?“

Man macht dann den „Van“ und schreibt alles auf Zettel, Ping-Pong-Bälle – oder in einen Zufallsgenerator in Web. Wirft es gegen die nächste Wand oder drückt einen Knopf. Dann sieht man mal, welcher Zettel am dichtesten an der Wand liegt, welche Kugel im Auswurf landet oder was oben auf der Liste steht.

Was das Karma einem eben vor die Füße wirft.

Und das, das macht man dann.

Okay? Gut.

Go.

Wenn Du auch feststeckst

Falls Du auch feststeckst in Deiner Idee und nicht weißt, wo Du – oder ob Du überhaupt – anfangen sollst, dann sieh Dir doch mal mein Kreativcoaching an. In diesem helfe ich Dir, Blockaden aus dem Weg zu räumen und einen Weg zu finden, der Dich voran bringt. Freue mich von Dir zu hören.

Photo by Markus Spiske on Unsplash

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