Drei Gedanken am Dienstag - Explosionen, Sisyphos und Befehle

26.05.2025

„Drei Gedanken am Dienstag“ ist die deutschsprachige Übersetzung meines originalen englischsprachigen Newsletters „Three Thoughts Thursday“, den ich immer donnerstags bei Substack poste. Mit kurzen, hoffentlich inspirierenden Gedankenblitzen aus meinem Crazy Shit Brain.

Guys don't look at explosions

In meiner Notes-App auf meinem iPhone habe ich eine fortlaufende Notiz mit dem Titel „Squirrel“. Wie das namensgebende Eichhörnchen sammle ich dort Gedanken, Einfälle und alles, was mir in einem unvorhergesehenen Moment durch mein Crazy Shit Brain schießt.

Einer dieser Einträge lautet:

Guys don’t look at explosions

Mehr steht da nicht. Nur dieser eine Satz. Sogar ohne Punkt.

Ich weiß nicht mehr, wann ich ihn reingetippert habe – oder warum ich ihn mal wichtig fand. Doch offenbar hat er mich in dem Moment gepackt. Tut er noch immer, wenn ich beim Review drüber stolpere. Ich verstehe ihn immer wieder. Weiß, was gemeint ist. Und vor allem: Wie sich daraus eine Haltung zum Leben ableiten lässt – besonders in Momenten, in denen dein Leben … zu explodieren droht.

Lass mich erklären. Stell dir folgende Filmszene vor:

  • Ein gigantischer Feuerball füllt das Bild.

  • Vorn im Bild ein Mann, in seinem Rücken die Explosion. Er läuft entschlossen – oder geht ganz gelassen – auf die Kamera zu.

  • Vielleicht ist er so ein Söldner oder Agent, und er hat gerade etwas in die Luft gejagt. Vielleicht ist er auch einfach so ein Typ und entkommt um Haaresbreite einer unverschuldeten Katastrophe.

  • In beiden Fällen ist er gerade noch einmal mit seinem Leben davongekommen. Völlig unbeeindruckt.

  • Zack: Schnitt.

  • Film geht weiter.

Was man dabei leicht übersehen kann: Der Typ macht eben keinerlei Anstalten, sich umzudrehen, um zu sehen, was da hinter ihm abgeht. Blickt nicht zurück, fragt nie nach dem „Was“, geschweige denn „Warum“. Keine Reflexion, keine Mediation oder ein Stuhlkreis über Ursache oder Ausmaß. Aber auch kein „Wie geil ich bin, Alter!“, kein „High Five“ mit irgendeinem Buddy. Einfach so „Bumms!“ und weiter geht es.

Weil: Was würde das ändern? Es ist vorbei. Geschichte. Bye, bye, bye, bye, bye. Vorüber. Lass es hinter dir. Lass es sein. Gewesen sein.

Ja, das ist eine Metapher für dein Leben.

◼️

Aphantasie trifft Sisyphos

Als ich heute Morgen mein Substack durchsah und dort einen weiteren, sehr lesenswerten Post von Austin Kleon gelesen habe, stieß ich in diesem auf den mir bisher unbekannten Begriff „Aphantasie“.

Kurz gesagt beschreibt „Aphantasie“ den Zustand, in dem Menschen keine Bilder fantasieren können. Sie erleben ihre Gedanken ausschließlich in Sprache, ohne visuelle Entsprechungen oder Imagination. Ich stelle mir das vor, als dass man mental blind ist und sein Innenleben deshalb in Untertiteln mit Audiobeschreibung wahrnimmt.

Dann ist mein laterales „Um die Ecke denken“ mit mir durchgegangen. Denn nachdem ich ein wenig recherchierte und bald sicher war, dass „Aphantasie“ auf mich nicht zutrifft, kam mir der Gedanke:

  • Das „A“ am Wortanfang ist vermutlich ein Negations-Prefix.

  • Das Gegenteil von Aphantasie wäre dann: Phantasie.

  • „Phantasie“ ist also die Fähigkeit, innere Bilder entstehen zu lassen. Kann ich.

Mit diesem Begriff möchte ich also ab sofort meine eigene Vorstellungskraft beschreiben.

Ich habe Phantasie – und sie ist die Quelle meiner Kreativität

P.S. Menschen mit Aphantasie fällt es auch schwer, echten Gesprächen zu folgen, weil ihr innerer Monolog ununterbrochen parallel weiterläuft und dazwischen quatscht. Diese Beschreibung erinnert mich an ein Phänomen, das Menschen mit ADHS kennen: „ADHD Rage“, also: „ADHS Wut“ – jenen Moment, in dem man sich im Hyperfokus befindet. Das ist wie „Flow“, nur in geil. Dann, durch eine beiläufige Bemerkung, wird man aus dieser Konzentration gerissen. So irgendwie: „Will gar nicht stören. Hole mir nur schnell einen Kaffee. Auch einen?“. Der hart erarbeitete Fokus bricht zusammen. Der Stein rollt den Hang hinab. Mal wieder. A-gain. Sisyphos grüßt breit grinsend. Es folgt: Wut.)

◼️

„Home is where you miss yourself“, 2014, DIN A3, Bleistift und Aquarell

DIe „Suicidal Tendencies“ des Einzelhandels

Vor kurzem wollte einer meiner Mitarbeiter ein älteres, aber noch sehr brauchbares iPad Mini 5 zum Zeichnen nutzen. Den passenden Apple Pencil hatte ich vor einiger Zeit jemandem überlassen. Wir brauchten also Ersatz. Da es eilig war und ich mich aktuell bemühe, europäischer zu handeln, bestellten wir ihn nicht über „Bezo's Bauchladen“, sondern über den Online-Shop der Elektronikkette Saturn. Als „Pickup“ in der Bielefelder Filiale. Damit mein Mitarbeiter ihn auf dem Heimweg abholen konnte.

Was nach einem einfachen Vorgang klingt, entwickelte sich rasch zu einem bürokratischen Albtraum.

Schon mächtig deutsch genervt, dass es dazu eine unterschriebene Vollmacht von mir zur ausgedruckten und vorab bezahlten originalen Bestellung benötigte. Es wurde auch noch eine Kopie meines Personalausweises verlangt. Ich wollte einen Apple Pencil. Nicht auswandern.

Vor Ort wurde mein Mitarbeiter schließlich – logisch – auch nach seinem Ausweis gefragt – der, das muss man zugeben, allerdings abgelaufen war. Ich musste also doch „persönlich vorstellig“ werden und meine ID erneut im Original vorlegen. Das alles fühlte sich sehr falsch an. Als würde ich meinen mit Crack vollgeknallten Sohn nachts bei der Polizei abholen. Und nicht ein bezahltes, überteuertes Stück Plastik in einem Einzelhandels-Geschäft in der Bielefelder Fußgängerzone.

Das alles kostete uns beide, zusätzlich zur Bestellung und dem ganzen Gedrucke, jeweils gut eine Stunde.

Ich konnte deshalb nicht anders, als den Saturn-Mitarbeiter am Service-Counter zu fragen:

„Und Sie wundern sich wirklich, warum der Einzelhandel vor die Hunde geht?“

Er hatte keine Antwort. Nur etwas, das klang wie:

„Ich habe lediglich Befehle befolgt.“

◼️

Danke für diesen Dienstag.

Das war es für heute. Vielen Dank fürs Lesen. Wenn Du Gedanken oder Anmerkungen zu dem Gelesenen hast – oder zu etwas ganz anderem – freue ich mich über eine Nachricht an markus@freise.de.

More Blogposts:

Drei Gedanken am Dienstag: Normal, Ordnung, Atomkrieg

Wie motivieren? „On fire“ ohne zu verbrennen. Für Normalos und ADHS-Dopamin-Junkies.

Eine neue Art zu arbeiten: Slow Productivity von Cal Newport

Während meiner Workation in diesem Jahr – 2024 – habe ich das Buch „Slow Producticity“ von Cal Newport gelesen. In diesem propagiert Newport eine neue Art, über Arbeit nachzudenken. Mit weniger mehr erreichen, in exzellenter Qualität.

Kreativblockaden überwinden, schamlos austoben.

Sie ist die Nemesis eines jeden Kreativen: die Blockade. Dieser Zustand, in dem es uns schlicht nicht möglich ist, kreativ zu handeln. Wie ein von einem grellen Scheinwerferlicht angestrahltes Reh stehen wir der Aufgabe, dem Projekt gelähmt gegenüber. Ganz gleich, wie sehr wir es wollen.

So schaffe ich das: Wie ich meine Herzensprojekte angehe.

Ein neues Zeitalter der Aufmerksamkeit

Wir sind verloren. Unsere Aufmerksamkeit, wie sie einmal war, ist für immer verschüttet unter Schichten von Pings und roten Kreisen mit Zahlen drin. Alan Jacobs erklärt in seinem Artikel „The Attention Cottage“ wie es dazu kommen konnte. Und was wir damit Neues anfangen können.

In Schnittmengen leben. Vom kreativen Umgang mit dem Social-Media-Brainfuck

Die Experten sind sich einig: Das ständige Beobachten der Leben anderer und das Vergleichen mit diesen durch ungehemmten Konsum von vor allem sozialen Medien, führt über kurz oder lang zu mindestens schlechter Laune. Vielleicht sogar in depressive Episoden bis hin zur ausgewachsenen Depression. Aus ganz einfachen Gründen.

Coaching für Deine, diese eine Idee

Ich habe lange überlegt, wie ich es nenne, diese neue Angebot. Ist das ein Sparing, ein Mentoring oder ein Coaching? Letztlich habe ich mich dann einfach für Coaching entschieden. Warum? Lies gerne weiter …

„Hi!“ … mein neuer Podcast als Kreativunternehmer

No flowers to place before this grave stone

Plötzlich ADHS. Seit immer schon.

ADHS bei Erwachsenen. Das weiß ich für mich seit dem Frühjahr 2023. Wie ich dazu kam, was das machte und wie ich das löse, lest ihr in diesem Post.

Make it count.