Aus meinem Bücherregal

Cal Newport
Slow Productivity

Cal Newport ist mir zuerst Mitte der 2010er durch sein Buch „Deep Work“ aufgefallen. In „Deep Work“ erläutert Newport, wie fokussierte und ablenkungsfreie Arbeit der Schlüssel für eine ausgeglichene „Work und Life“-Balance sein kann. „Deep Work“ als Methode ist seitdem ein wesentlicher Baustein in meinem Leben als Kreativunternehmer geworden und das Fundament für meine Workations.

Logisch, dass ich ohne Umschweife zu Cal Newports neuem Buch „Slow Productivity“ gegriffen habe. In diesem untermauert Newport seine Deep Work-Methodik mit einem generellen Unterbau. Ging es in „Deep Work“ noch um die Optimierung der alltäglichen Produktivität, geht es in Slow Productivity viel mehr um eine Neuausrichtung dessen, was Produktivität sein soll.

(Alle Zitate aus dem Buch in Englisch, da ich Sachbücher in der Regel englischsprachig lese. Übersetzungen als Koproduktion von DeepL und mir.)

„Slow Productivity“ als Philosophie für ein neues Arbeiten

A philosophy for organizing knowledge work efforts in a sustainable and meaningful manner, based on the following three principles. [...]

Eine Philosophie für eine nachhaltige und sinnvolle Organisation der Arbeit, die auf den folgenden drei Prinzipien beruht. [...]

Vorab ist es wichtig, Produktivität nicht misszuverstehen. Produktivität ist kein Ergebnis und kein KPI, mit dem das Verhältnis von Eifern, Resultat und Ressourcen bemessen wird. Produktivität ist das reine Tun, in dessen wir durch unser Handeln von einer Voraussetzung oder Aufgabe hin zu einem gesetzten Ziel kommen.

Produktivität ist das Mittel, nicht der Zweck.

Leider aber ist Welt bekloppt geworden. Wir ballern uns mit immer mehr Aufgaben zu, um noch beschäftigter zu sein. Verbringen Stunden und Tage in Büros und Agenturen und springen dabei zwischen diesen Bergen an Aufgaben hin und her. Wünschen uns, dass jemand dieses Eifern wahrnimmt und dafür Fleißkärtchen abstempelt. Völlig pervertiert ist Produktivität der Zweck geworden und wir sind ihr unheiliges Mittel.

Bis wir uns völlig erschöpft, aber ohne wirkliche Ergebnisse in Burn-outs und mentale Krankheit flüchten. „Pseudo Produktivität“ nennt Newport diese Art zu arbeiten. Wenn wir uns nur noch daran messen, wie eifrig wir versuchen, diesem Wahnsinn Herr zu werden. Und nicht mehr daran, was wir erreicht haben.

Mit „Slow Productivity“ bietet er einen Ausweg an, der sich in drei Grundprinzipien aufteilt:

1. „Nein!“ ist das neue „Ja.“ – Do fewer things.

Dies ist so naheliegend, dass es fast wehtut, das zu lesen: Indem wir die Anzahl der gleichzeitigen Aufgaben, Projekte und Verpflichtungen auf ein Maß eindampfen, das zu bewältigen ist und doch Zeit übrig lässt, können wir den nun Verbleibenden mehr Aufmerksamkeit widmen. Oder die gewonnene Zeit auf die andere Seite der Work/Life-Balance verlagern.

„Nein“ zu sagen, wandelt sich dabei von einer Möglichkeit zu einem Imperativ. „Nein“ sagen um Zeit zu bewahren für die wichtigen Herzensdinge. Rechtzeitig. Bevor eine totale Überlastung durch immer mehr Commitments uns dazu zwingt.

Oder wie Oliver Burkeman in seinem ebenfalls sehr lesenswerte Buch „Four Thousand Weeks“ sagt

When you’re faced with too many demands, it’s easy to assume that the only answer must be to make better use of time, by becoming more efficient, driving yourself harder, or working for longer – as if you were a machine in the Industrial Revolution – instead of asking whether the demands themselves might be unreasonable.

Wenn man mit zu vielen Anforderungen konfrontiert wird, geht man leicht davon aus, dass die einzige Antwort darin bestehen muss, die Zeit besser zu nutzen, indem man effizienter wird, sich mehr anstrengt oder länger arbeitet - als ob man eine Maschine in der industriellen Revolution wäre -, anstatt sich zu fragen, ob die Anforderungen selbst vielleicht unangemessen sind.

Oliver Burkeman, Four Thousand Weeks

So grell einleuchtend wie dieser Gedanke ist, so bleischwer ist es, für jemanden, der sich bereits in erdrückender Überlastung befindet, sich von dieser zu befreien. Newport bietet hier in seinem Buch einige notwendig radikale Wege nach vorn an. Erst nach dieser Befreiung ist die Anwendung der weiteren Prinzipien überhaupt denkbar.

There exists a myth that it’s hard to say no, whether to someone else or to your own ambition. The reality is that saying no isn’t so bad if you have hard evidence that it’s the only reasonable answer.

Es gibt den Mythos, dass es schwierig ist, „Nein“ zu sagen. Sei es zu jemand anderem oder zu seinem eigenen Ehrgeiz. In Wirklichkeit ist es nicht schlimm, „Nein“ zu sagen, wenn man den konkreten Beweis hat, dass es die einzig vernünftige Erwiderung ist.

2. Hartholz wächst langsam – Work at a natural pace.

Ist das erste Prinzip noch so „Ach, wirklich …“, war Prinzip Nummer 2 für mich der Augenöffner: Jede und jeder von uns hat eine ganz individuelle Pace, wenn es um Arbeit geht. „9 to 5“ ist – einige Branchen ausgenommen – spätestens durch die Home-Office-Revolution Schnee von gestern.

Vor allem das zweite Prinzip ist ein Gegenentwurf zur erwähnten „Pseudo Produktivität“, die sich dadurch definiert, dass wir hoffen, dass unsere Aufgaben sich einfach von selbst erledigen, wenn wir einfach noch mehr und noch unserer kostbaren Zeit reinfeuern. Oder wie Viktor Frankl sagt:

Was du in ein Feuer hineinwirfst, wird das Feuer weiter entfachen.

Viktor Frankl

Stattdessen geht es darum, dass die durch die Anwendung von Prinzip 1 gewonnenen Freiräume genutzt werden, die verbleibenden Themen in einem Tempo und auf einer Zeitlinie zu bearbeiten, die sowohl zur Aufgabe passen als auch zum eigentlichen Leben jeder und jedes Einzelnen.

Don’t rush your most important work. Allow it instead to unfold along a sustainable timeline, with variations in intensity, in settings conducive to brilliance.

Überstürze deine wichtigste Arbeit nicht. Erlaube ihr stattdessen, sich entlang eines nachhaltigen Zeitplans zu entfalten, mit unterschiedlicher Intensität, in einer Umgebung, die der Brillanz förderlich ist.

Newport bietet hier verschiedene Ansätze an. Ich mag die hier bewusst nicht ausführen. Aber alleine dieser Teil des Buchs ist es Wert, dies zu lesen.

3. Gut Ding will Weile haben – Obsess over quality

Was bringt es uns, wenn wir zwar malocht haben wie verrückt, aber am Ende doch nichts Vernünftiges dabei herauskommt? Waren wir dann wirklich produktiv oder eben nur so … pseudo!?

Das Ziel jeder Produktivität muss ein bestmögliches Ergebnis sein.

Dieses dritte Prinzip liefert das finale Argument für eine neue, achtsame Sicht auf unser Schaffen, unsere Produktivität. Nicht umsonst heißt es auch „Gut Ding will Weile haben.“ Wobei „Weile“ eben nicht einfach heißt, dass es lange dauert. Vielmehr, dass die Dinge sich die Zeit nehmen, die sie benötigen.

So sagt Newport, dass das erste Prinzip darauf abzielt, weniger zu tun, weil Überlastung ein sinnloser Ansatz ist, mit unserer Zeit und Energie hinsichtlich Arbeit und Produktivität umzugehen. „Zeit“ ist eben kein Teil unserer Produktivitäts-KPI, der uns in irgendeiner Perspektive Einsicht gibt.

Dieses dritte Prinzip hingegen nimmt den Fokus weg von der Quantität an Arbeit und legt ihn auf die Qualität des Ergebnisses. Die wir erreichen, wenn wir die Zeit als wertvolle, leider nicht erneuerbare Energie sehen, die zu dessen Erreichung notwendig ist.

Und schließt damit den Kreis, da wir aus dieser Zeit nur dann schöpfen können, wenn wir sie nicht durch Überlastung sinnlos vergeuden.

The first principle of slow productivity argues that you should do fewer things because overload is neither a humane nor pragmatic approach to organizing your work. This third principle’s focus on quality, however, transforms professional simplicity from an option to an imperative.

Das erste Prinzip der „Slow Productivity“ besagt, dass man weniger Dinge tun sollte, weil Überlastung weder ein humaner noch ein pragmatischer Ansatz zur Organisation der Arbeit ist. Der Fokus dieses dritten Prinzips auf Qualität macht professionelle Vereinfachung jedoch von einer Möglichkeit zu einem Imperativ.

Fazit:

Es gibt Bücher, die man nicht lesen muss. Bei denen man nach einem Kapitel denkt „Okay. Prinzip verstanden. Ein Blog-Post hätte es auch getan. Oder ein TED-Talk“ Das dachte ich über Slow Productivity zuerst auch. Nachdem ich bei Parknotes eine Zusammenfassung gesehen hatte, in der Parker Settecase ebenfalls die drei Prinzipien erläutert.

Lese das!

Aber, weil ich im Urlaub war und ohnehin Newport-Fanboy bin, habe ich es trotzdem auf den Kindle geladen und gelesen. Was soll ich sagen? Cal Newport hat so viel mehr dazu zu sagen und ergänzt die Grundgedanken durch so unfassbar viele Denkanstöße und Strategien, dass ich dieses Buch nur jedem ans Herz legen möchte.

Alle Links dazu oben im Post.

P.S.: Do fewer things.

Das möchte ich lesen

Make it count.