Dr. Anna Lembke
Dopamine Nation
Eigentlich ist das hier Argument genug:
Seit ich das Buch „Dopamine Nation“ von Anna Lembke gelesen habe, ist mein Social Media-Konsum zusammengebrochen. Und meine Screentime, wenn es um das reine verdaddeln meiner Zeit geht, auf ein Minimum reduziert.
Nach meiner schlichten Meinung sind alleine diese beiden Aspekte schwerwiegende Argumente, sich mit diesem fantastischen Buch auseinanderzusetzen.
… aber es geht um mehr: Wir sind kaputt!
Inhaltlich befasst sich Dr. Lembke, die mir zuerst im Podcast von Andrew Huberman begegnet ist, mit den Vorgängen in unserem Gehirn, die aus Möglichkeiten Süchte machen. Allem voran das Titel gebende Dopamin. Ich hatte zuerst gehofft, dass es mir vor allem hinsichtlich meines ADHS neue Einsichten geben würde. War dann aber starr erschrocken, dass Dopamin und dessen Haushalt in unserem Gehirn längst ein gesellschaftliches Problem geworden sind. Ich werde das hier häufiger wiederholen: Wir sind alle kaputt.
Dopamin schnell erklärt: Häufig als „Belohnungshormon“ missverstanden ist es Dopamin ein „Motivationshormon“. Unser Hirn schüttet Dopamin aus, um uns geil zu machen, Dinge anzugehen. Dopmain ist damit eine vorgezogene Belohnung – ohne eigenes Resultat. Palentologisch macht es uns scharf drauf, auf die Jagd zu gehen, gesellschaftlich seine Steuererklärung zu machen und neuzeitlich Instagram und TikTok zu öffnen. Leider ist es aber so schnell verflossen wie es dein Hirn angefeuert hat. Und bleibt die ersehnte Belohnung von Mammutt über Rückzahlung bis neues lustiges Reel aus, lässt es uns mit Trauer und Depression zurück. Das Ergebnis ist, dass schnell der nächste Schub kommt, weil „Alter, das war ein geiles Gefühl.“
Dr. Anna Lembke erläutert mit einem konkreten Fokus auf generalisierte Sucht, wie uns vor allem der Missbrauch von Suchtmitteln und deren kurzfristigen Dopamin-Hits nach und nach kaputt machen. Wie sie unsere intrinsische Motivation untergraben, indem sie kurzen Rausch mit wahrhaftiger Erfüllung ersetzen. Dabei geht es nicht nur um klassische Süchte wie Spielsucht oder Drogen, sondern auch um gesellschaftlich „etablierte“ Dinge wie Konsum, Alkohol oder eben Social Media.
Der folgende Auszug, in dem sie ein Experiment aus einer Studie erwähnt, zeigt die erschreckende Macht, die ein gestörter Dopamin-Stoffwechsel mit sich bringt.
Dopamine may play a bigger role in the motivation to get a reward than the pleasure of the reward itself. Wanting more than liking. Genetically engineered mice unable to make dopamine will not seek out food, and will starve to death even when food is placed just inches from their mouth.
Dopamin kann bei der Motivation, eine Belohnung zu erhalten, eine größere Rolle spielen als der Genuss der Belohnung selbst. Mehr „Wollen“ als „Mögen“. Gentechnisch veränderte Mäuse, die kein Dopamin bilden konnten, suchten nicht länger nach Nahrung und verhungerten selbst dann, wenn sich die Nahrung nur wenige Zentimeter vor ihrem Mund befand.
Die kaputten Gehirne unsere Kinder
Dabei geht es hier nicht um Menschen wie mich, die durch neurologische Umstände wie ADHS einen ohnehin gestörten Stoffwechsel hinsichtlich Dopamin haben. Auch nicht um den Junkie, der an der Nadel hängt und von dem Beate auf ihrem Sofa meilenweit entfernt scheint.
Jede Form von unkontrolliertem Konsum Dopamin-fördernder Substanzen oder Gewohnheiten (Social Media, ey …) führt über kurz oder lang zu einem permanent gestörten Dopamin-Stoffwechsel, der längst nicht mehr unterscheidet zwischen Notwendigkeit („auf die Jagd gehen“ zum Beispiel) oder purem Hit („TikTok“). Ganz schlicht sind unsere Gehirne – und vor allem die unserer Kinder – einfach „kaputtgedaddelt“. Nicht umsonst reden wir heute von einer „ADHS-Epidemie“.
Die Motivation ist buchstäblich im Keller.
Neuroscientist Nora Volkow and colleagues have shown that heavy, prolonged consumption of high-dopamine substances eventually leads to a dopamine deficit state.
Die Neurowissenschaftlerin Nora Volkow und ihre Kollegen haben gezeigt, dass ein starker und lang anhaltender Konsum von Substanzen mit hohem Dopamingehalt schließlich zu einem Dopaminmangel führt.
Die Hex' ist tot – wie ich Social Media entkomme
Aber Dr. Lembke bietet auch Wege an, wie wir diesem Teufelskreis aus Stimulation und Enttäuschung entkommen können. Diese findet ihr im weiteren Verlauf des Buches. Lest das gerne dort nach.
Ich möchte hier jedoch gerne zwei Ansätze aufführen, die mir persönlich geholfen haben, meine Social Media-Sucht mindestens krass einzudämmen.
Physical Binding und Opal
„Physical Binding“ ist die Methode, bei der das Suchmittel schlicht physisch nicht oder nur schwierig verfügbar ist. 2002 habe ich aufgehört zu rauchen. Einfach so. Das war leicht. Darauf angesprochen sage ich immer, dass ich nur etwas nicht mehr tun musste. Einfach keine neuen Zigaretten kaufen, zum Beispiel. Hatte ich keine, konnte ich auch keine rauchen. Nicht eine Sekunde fiel mir das schwer. Rauchen war nie notwendig für irgendetwas. Es fehlte einfach nichts. Komplizierter wird es aber, wenn das Suchmittel Teil unseres Lebens ist. Wenn es um Themen wie Ernährung, Konsum oder Kommunikation geht.
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Hinsichtlich der Ablenkung durch die Dopamin-Hits, die sich aus der Nutzung des Smartphones durch Social Media und andere Anwendungen ergeben, habe ich mir nun angewöhnt, dass mein Smartphone irgendwo liegt. Aber nicht direkt neben mir. Anrufe und Nachrichten verpasse ich keine dank Apple Watch und wenn doch, geht die Welt auch nie unter. Mein Hirn meint das zwar. Aber ich pfeife auf die Dopamin-Hexe und ihr Knusperhaus.
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Für den häufigen Fall, dass ich es dann doch mal in die Hand nehmen muss, blocke ich tagsüber oder wenn sinnvoll alle ablenkenden Apps und Kanäle durch die iOS-App und Mac-App „Opal“. In dieser kann ich noch gradualer als in Screentime einstellen, was genau wann und wie auf dem Phone, iPad oder Mac geblockt werden soll. So kann ich für mich Instagram, Twitter und so weiter tagsüber nur sehr eingeschränkt nutzen und am Wochenende maximal eine Stunde pro Tag. Natürlich kann ich das – wenn z. B. beruflich unbedingt notwendig – auch jederzeit überschreiben oder abschalten. Aber alleine diese kleine Hürde hindert mich oft genug daran, der Versuchung der Hexe zu widerstehen, wenn sie doch mal durchs Blätterdach rauschelt und säuselt: „Komm, komm, kleiner Hänsel, ein Reel noch. Oder vielleicht hat die oder der etwas Neues gepostet. Und was macht eigentlich Donald Trump gerade wieder für einen Unfung? Komm, ist doch schön und lustig, los! Hihi.“
„Physical Binding“ ist nur eine Methode aus der Suchtforschung, die Lembke erläutert. Insgesamt schafft sie es, wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Erfahrungen aus Ihrer Arbeit als Psychologin zu verbinden. Und damit für alle nahbar zu machen. Das hat für mich das Lesevergnügen ausgemacht.
Fazit
Das Buch würde ich hier nicht featuren, wenn ich es nicht zu 100 % empfehlen könnte. Ich habe es förmlich verschlungen. „Page Turner“ nennen die Engländer solche Bücher. Ich kann „Dopamine Nation“ nur jedem, der … ach, jedem und jeder ans Herz legen. Punkt.
Wie zuvor erwähnt, unsere Welt ist kaputt und unsere Gehirne ohnehin. Holen wir sie uns zurück.
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