Von Pinseln und Flamenco
01.12.2010
Wenn man zum Beispiel wie ich nicht tanzen kann, dann freut man sich schon wie ein Gänseblümchen in der Frühjahrssonne darüber, dass man bei einem Walzer dreimal die Füße richtig hintereinander bekommen hat. Sieht man dann aber jemanden Tango oder Salsa tanzen, schaut man beschämt in die Ecke und verwelkt wie eben jenes Gänseblümchen im Permafrost der eigenen Unfähigkeit.
Wenn man Comics zeichnet und letztlich zum Inken kommt, kann ähnliches geschehen. (Einwurf: „Inken“ bezeichnet das Nachzeichnen der Bleistift-Zeichnung mit Tusche.) Als ich mit Anfang Zwanzig meine ersten Gehversuche im Comic gemacht habe, hatte ich Zeit und Muße und es war ganz klar, dass wie die Profis mit Feder und Tusche geinkt wird. Darin war ich – das traue ich mich zu sagen – ganz passabel. Nun habe ich bekanntermaßen meine Comic-Zeichner-Karriere zu Gunsten einer Grafiker-Karriere zur Seite gelegt und einfach 10 Jahre praktisch nicht gezeichnet. Dann kam meine erste Tochter zur Welt, wollte bald ein Bild von Pippi Langstrumpf und Papa war wieder voll drauf. Da noch und wieder mit Tusche und Feder. Kurz drauf schenkt man mir aber ein Set Faber Castell ECCO Pigment Fineliner. Die nahm ich und zeichnete und fühlte mich wie der Walzer-Tänzer. Das war viel leichter und ging viel schneller. Okay, der Strich verliert Dynamik. Aber egal. Es genügte.
Voll angefixt stürzte ich mich wieder in die Zeichnerei. Das erste wirkliche Ergebnis war dann mein Buch. Kurz drauf folgte der Entschluss: Comic zeichnen! Und weil ich das immer mache, wenn ich was angehe, weil ich gelernt habe, dass das gut funktioniert, habe ich mich mit Sekundärliteratur eingedeckt. Das hätte ich nicht tun sollen. Denn in jedem Buch stand, dass das Inken mit Fineliner ein No-Go ist. Wenn überhaupt, inkt man mit Tusche und Feder. Wer aber richtig was auf sich hält, nimmt einen Pinsel und Tusche.
Da ich ja sowieso gerade viel Geld ausgab, kaufte ich mir also noch einen Pentel Brush Pen und dachte: Har! Jetzt kann es losgehen.
Schon einmal versucht mit einem Pinsel zu inken? Ist nicht so leicht. Ist wie eben noch Walzer und jetzt Flamenco-Ultra.
Aktuell entstehen meine Zeichnungen deshalb häufig aus einer Mischform aller drei Techniken. Erstes Inken mit Feder, Nachbessern mit Fineliner und eventuelle Akzente mit Pinsel – den aber noch sehr reduziert, weil eben Flamenco. Das funktioniert ganz gut. Aber es fühlt sich noch nicht so richtig richtig an.
Heute bin ich dann auf eine Website gestoßen, die mich in dem festen Willen zurücklässt, dass tatsächlich kein Weg am ausgeprägten Einsatz des Pinsels vorbeiführen wird – sicherlich in Kombination mit der Feder. Schaut man sich die Figur-Studien von Kyle T. Webster an sieht man nämlich, was für eine fantastische Dynamik in diesem Werkzeug liegt, die kein Fineliner, nicht einmal eine Feder erreichen kann. Das sind keine ausgefeilten Illustrationen. Das sind aufs Blatt getanzte Schmeicheleien fürs Auge. Kleine Meisterwerke der Impression.
Aber seht doch selbst:
Bilder vob Kyle T. Webster
Ist das nicht wundervoll? Was meint Ihr?
Mehr in seinem Blog „The Daily Figure“ oder zu kaufen auf zazzle.com.