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Akt zeichnen – mein Rocky-Training für die Zeichenmuskeln

19.12.2017

Weshalb man seinen „Zeichenmuskel“ genau so trainieren muss wie jeden anderen auch. Wie man das macht. Und warum das für mich im Moment mehr so „Rocky, fang das Huhn!“ ist als „ADRIAN!“, lest ihr in diesem Blog-Post.

Meine Zeichen-Ambitionen werden sich von nun an erst einmal im Wesentlichen auf zwei Punkte fokussieren: ONE. als fortlaufendes Projekt mit neuen Aufträgen im Bereich Comic-Kunst. Und, wie angekündigt, Aktzeichnen und Aktmalerei mit einem Einschlag in deutlich künstlerische Gefilde aus Bleistift, Aquarell und Acryl.

Wenn Du wegen der Bilder hergekommen bist: Die sind ganz unten. Aber wenn Du verstehen willst, weshalb sie sind wie sie sind, lies bitte den Beitrag.

Mein Aquarell-Kasten von Schmincke begleitet mich seit 30 Jahren. Damit ist das wohl eines der besten Weihnachtsgeschenke ever gewesen.

Bei Ersterem bin ich durch die beiden Großprojekte der vergangenen Jahre gut im Training und komme sehr gut zurecht. Das läuft. Beim Letzteren war ich „früher“ auch mal ganz gut. Jetzt ist das etwas anders. Was wiederum an Ersterem liegt. Hintereinander:

Aus dem Kopf aufs Blatt

Der Aufbau eines ONE.-Bildes – oder einer Seite in einer Graphic Novel – ist ein eher konzeptioneller Weg. Stichwort/Storyline bekommen, Idee für Story und Visuals finden, Referenzmaterial recherchieren, das Bild komponieren, Anatomien aufbauen. Alles recht verkopft. Der eigentliche Zeichenprozess ist dabei zwar auch lustvoll, aber dann doch nur eines von vielen Mitteln zu Zwecken. So wie ein Autor nicht nur der Worte wegen schreibt. Am Ende zählt die Story, die Struktur, das Ganze. Wenn das passt, ist alles Zucker.

Beim künstlerischen Aktzeichnen hingegen geht es mir um etwas völlig anderes.

Hier geht es um den direkten Weg, aus dem Gesehenen über die Intuition in die Hand und zurück aufs Papier und die Leinwand. Um die Unmittelbarkeit des Moments. Den Flow. Zeichnen ohne Korrekturschleifen und Radiergummis. In jedem Fall eine Art zu Zeichnen, die ich nach den zwei Comic-Großprojekten ONE. und Großväterland nicht verlernt, aber verschüttet habe.

Aktzeichnen als Weg zur Intuition

Der klassische Ablauf einer Aktzeichensession in Aktzeichenkursen oder Aktzeichengruppen kommt dieser Absicht sehr entgegen: Man fängt mit sehr kurzen Posen von 1 Minute an, steigert dann nach einigen Skizzen auf 5 Minuten und geht letztlich auf 10 Minuten hoch und bringt was reeles zu Papier. Meist geht es nicht darum, ein Kunstwerk zu erschaffen. Es geht, wie gesagt, ums Training.

Wie beim Sport: Man wärmt sich auf. Erhöht die Intensität. Um dann letztlich glücklich ins Ziel zu laufen und irgendwann zu wissen: Ich bin bereit für den Wettkampf.

Solche Sessions sind übrigens eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für Künstler, aber vor allem für das Model. Auch, wenn sie, inklusive Pause, nicht unbedingt länger als eine Stunde sein müssen. Haltet mal für 10 Minuten eine Pose. Viel Glück!

Figure Drawing Practice Tool

Was aber tun, wenn keine Aktzeichengruppe da ist? Oder ein eigenes Studio, in dem man mit einem eigenen Model private Sessions starten könnte? Trotz „Hilferufen“ ins Internet wie in meinem Blog-Post?

Das hier:

Die Website „Figure Drawing Practice Tool“ adaptiert dazu das oben beschriebene Session-Konzept. Indem es von Fotografen lizensierte Fotos in einem frei wählbaren Rhythmus oder eben im „Class Mode“ präsentiert. Immer wieder ein anderes Model. Immer neue Posen. Ob nackt, leicht bekleidet, ob nur Mann oder nur Frau oder beides kann man vorher bestimmen. Und dann drückt man los – und los geht’s.

Gefällt eine Pose nicht, kann man diese überspringen. Muss man mal „weg“, drückt man Pause. Hat man doch keinen Bock „Stop“. Und wenn man mogeln will, kann man auch zurückspulen. (Was natürlich niemand tut.)

Was okay ist: Das Bild nachträglich verfeinern – wenn die Pose vorbei ist und die Session zuende. So habe ich bei allen unten abgebildeten Aktzeichnungen die Farbe erst nachträglich hinzugefügt. Der Bleistift ist aber „live“.

Dieses Tool habe ich jedenfalls in den vergangenen Tagen ausgiebig genutzt – Ergebnisse unten – und werde das auch häufiger tun. Natürlich kann das niemals eine reale Session ersetzen, weil das Zeichnen vom Foto denkbar einfacher ist als im echten Raum. Und natürlich ist es nicht so spannend, weil die Verbindung zum Model fehlt, die Energie die dabei entstehen kann und eventuell der Austausch mit anderen in einer Zeichengruppe.

Hallo Intuition, wo warst Du denn?

Das Ziel, aus dem Kopf herauszukommen und wieder intuitiver an den Stift zu kommen funktioniert aber genau so gut. Irgendwann setzt der Flow ein. Und das ist genau das, was ich am Kreativsein so sehr liebe. Das ist meine Meditation.

Zumal das Zeichnen des menschlichen Körpers etwas sehr gutes mitbringt: Ebenso intuitiv kann man rückblickend schnell sehen, ob das, was da aus der Hand aufs Papier geflogen ist, passt. Ob die Proportionen stimmig sind, die Pose passt. Das sieht man nach einiger Übung immer direkt im Anschluss. Das trainiert den Ehrgeiz, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und irgendwann so gut, dass etwas „Wirkliches“ entstehen kann.

Denn natürlich stehen am Ende meiner Bemühungen rund ums Aktzeichnen und die Aktmalerei natürlich richtige Ergebnisse und Werke, die sich lohnen gezeigt, verkauft und an fremde Wände gehängt zu werden. Aber noch nicht im Moment. Im Moment geht es darum, das Huhn zu fangen.

Abschließend ein paar Blätter aus bisherigen Sessions mit dem „Figure Drawing Practice Tool“. Zweimal aus einer einzelnen längeren Pose und zweimal aus dem „Class Mode“.

Mehr zum Thema „Markus möchte jetzt Akte zeichnen“ findet Ihr auch in den Beiträgen „Akt zeichnen in Bielefeld“ und „Aktzeichnung oder Aktbild vom Foto zeichnen oder malen lassen“.

 

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