Ach, wo ist Bruce Wayne, wenn man ihn braucht? Oder: Was ist los bei DC? vom
Ach, wo ist Bruce Wayne, wenn man ihn braucht? Oder: Was ist los bei DC?
Was DC im Moment so treibt ist mir ein Rätsel … das wirkt alles sehr chaotisch und reaktiv. Als schaue man die ganze Zeit hektisch zu Marvel rüber, sieht wie die innerhalb von gefühlten 10 Jahren ihre Marke hochgeschossen haben und will irgendwie Anschluss halten. Denn letztlich hat man ja mit Batman und Superman die stärkeren Figuren, was rede ich: die Superhelden in Petto. Aber was macht man draus? Nicht genug.
Filme
Ich mochte ja zum Beispiel den Film Batman v Superman schon sehr, so als Erlebnis und Pop-Corn-Kino. Aber zugegeben: Im Vergleich zu Marvels Civil War stinkt der im Storytelling schon ziemlich ab. Und auch wenn die Figur Superman innerhalb der Filmserie interessant ist: Den Charakter aus den Heften hat er nicht. Dieses glänzende, unantastbare. Dieses wirklich gute und divine.
Hefte
Und auch im eigentlich Heft-Bereich, dem Ursprung aller Superhelden-Comics, ist das nicht besser.
Erst vor einigen Jahren voller Reboot fast aller Serien mit “The New 52” inkl. Flashpoint und so weiter.
Dann kürzlich Rebirth:
DC Rebirth is a 2016 relaunch by DC Comics of its entire line of ongoing monthly superhero comic books. Using the end of The New 52 initiative in May 2016 as its launching point, DC Rebirth is intended to restore the DC Universe to a form much like that prior to the “Flashpoint” storyline, while still incorporating numerous elements of The New 52, including its continuity. It will also see many of its titles move to a twice-monthly release schedule […] Wikipedia
“Du, das mit Reboot hat nicht geklappt. Was nun?” … “MACHT NOCH EINEN!!! HITZESTRAHL LOS!!!”
Markenführung
Und nun hauen die schon wieder ein neues Logo raus? Mehr dazu bei den Kollegen von designtagebuch.de. Wissen die denn nicht, wie wichtig ein Logo für eine Markeführung ist? Das sind drei Logos in 11 Jahren. Das ist Design-ADHS. Denn davor hatten die schon konsequent 29 Jahre lang das gleiche Logo. Verstehe ich nicht.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass da totale Panik herrscht und eindeutig die falschen Menschen am Ruder sitzen.
Ach, wo ist Bruce Wayne, wenn man ihn braucht?
Ich muss da als Weder-Marvel-noch-DC-Fan und mit reichlich Distanz zur US-Comic-Szene leider etwas wiedersprechen: Batman und Superman sind Ikonen, die bei Marvel ihres Gleichen suchen. Aaaaber … DC hat keine Figuren, die mit den beiden auf Augenhöhe agieren können. Marvel hingegen hat ein gleich mehrere Ensemble funktionierender Figuren, die alle zumindest grundlegend kompatibel sind und in der Summe eine dynamische Welt bilden.
Und was Superman angeht, kennst Du ja meine Meingung vermutlich: Für mich funktioniert der erst seit der Wiedererfindung als Mensch durch Zack Snyder. Das Divine an der Figur hat mich zuvor stets abgeschreckt.
Und ja: Das wirkt in der Tat panisch, was DC da macht.
Aber wer kannte denn Ironman oder Black Widow vor dem Cinematic Universe? Ikonen von Marvel waren davor eventuell Spiderman und Hulk. Aber welche Marvel-Figuren hättest Du sonst aufzählen können?
Das was Marvel da eben geschafft hat, ist die Riege der Figuren innerhalb des MCU immer weiter auszubauen. Ähnliches versucht ja DC nun auch mit Wonder Woman und Co. Es fühlt sich aber falscher an.
Was mich eben ärgert ist, dass man mit den beiden genannten Figuren Batman und Superman eigentlich ein viel solideres Fundament hatte als Marvel. Bin gespannt, was sie nun mit Batman machen. Affleck ist definitv der beste Batman bislang. Hoffentlich versaubeuteln sie das nicht. Aber Affleck ist ein hervorragender Filme-Macher. Freue mich, dass er nun mit im Boot ist.
Ich würde sagen, dass Spiderman die einzige Ikone ist, die Marvel hat die Batman und Superman das Wasser reichen kann. Alle anderen waren und sind eine Liga drunter. Aber kennen kannte ich die schon, Thor, Captain America (so absurd seine existenz auch ist), der Hulk, Iron Man, die X-Men und die Fantastic-Four – das waren zumindest für mich kein Unbekannten.
Aber Spiderman veranschaulicht sehr hübsch, das Problem der Ikonen: Die sind halt keine guten Teamplayer, nicht wegen ihrer Charaktere, sonden wegen ihrer Ikonenhaftigkeit. Und ich glaube Marvel ist das bei den Filmen sehr klug angegangen, die ganzen B-Helden auf Augenhöhe einzuführen und für ein neues Publikum neu aufzubauen, während DC (vermutlich damals auch noch in Unwissenheit der Brillanz von Marvels Plan) mit der Batman-Trilogie und dem neuen Superman genau das versäumt hat. (Von Green Lantern wollen wir gar nicht erst reden.)
Und wenn ich mal einen blick auf die Helden in der zweiten DC-Reihe werfe, dann kenne ich da nur noch den Flash. Da hat es DC glaube ich auch Comic-Seite über laaange Jahre versäumt, die zweite Garde aufzubauen.
Könntest Du sagen, was Du anders gemacht hättest, anders machen würdest, wenn Du DC wärst?
Ja. Ich hätte ein wenig mehr Comic-Relief in die letzten beiden FIlme gebracht und den Superman nicht ganz so ernsthaft gemacht. Die sind einfach so schwer. Hat das mit Snyder und Watchmen noch gut funktioniert, da Watchmen an sich ein sehr ernsthafter Comic ist, ist das für klassisches Superhelden-Zeugs ein Hauch zu hart. Nicht missverstehen: Ich mag die Filme ja sehr. Ich versuche aber auch zu verstehen, weshalb “Civil War” auf Rotten Tomatoes total abräumt und BvS total abstinkt.
Zu dem anderen Aspekt bzgl. Spiderman und MCU: Einzige Ursache weshalb „Spidey“ noch nicht in Avengers (Teil 1) war oder früher einen Solo-Film bekommen hat: Die Film-Rechte lagen bis vor kurzem noch bei Sony und nicht bei Disney. Gleiches gilt für die Fantastic Four und die X-Men.
Ich muss mir das mal durchlesen, wenn ich Zeit dafür finde. Was heute wohl nicht mehr der Fall ist. Grundsätzlich werfe ich aber schon einmal das hier in den Raum:
http://comicsalliance.com/dc-universe-rebirth-1-roundtable-review/
Achtung, gewaltige Spoiler für DCU Rebirth #1.
Aber die vier, die da diskutieren, haben einige interessante Argumente, die sich zu einem großen Teil mit meinen Sichtweisen decken.
So, hab mir gerade alles unterwegs durchgelesen. Und ich glaube, ich muss etwas länger ausholen.
Die einzigen DC Helden, die seit dem “Golden Age” (von 1938 bis Mitte der 50er) bis heute veröffentlicht wurden, sind Superman, Batman, Wonder Woman, Green Arrow und Aquaman. Zwar gab es damals einen Green Lantern, einen Flash und andere Figuren, aber die wurden Mitte der 50er zum Beginn des “Silver Age” durch damals zeitgemäßere, coolere Charaktere ausgetauscht.
Was damals genau die Infusion an Kreativität war, die Superhelden-Comics brauchten, um wieder relevant zu werden, hatten doch Western, Kriegscomics, Horror, Crime, Romanzen und Sci-Fi den Capeträgern den Rang abgelaufen. Doch in Zeiten von Fredric Wertham und “Seduction of the Innocent” waren Superheldencomics safe und unschuldig, die guten gewannen, und die Jugend wurde nicht weiter pervertiert. Und so war der Flash jetzt nicht mehr Jay Garrick, sondern eben Barry Allen. Und Green Lantern war nicht mehr Alan Scott mit seinem Zauberring, sondern der Space Cop Hal Jordan.
Durch deren Erfolg angespornt, entwickelte man bei Marvel die Fantastic Four, Spider-Man, die Avengers und mehr. Und man passte sich ständig der Zeit an, wenn auch unterschiedlich.
Fügte Marvel ständig neue Figuren wie Black Panther, Luke Cage, Shang Chi oder Ghost Rider hinzu, um dem Zeitgeist zu entsprechen, tauschte DC regelmäßig die Personen hinter den Deckidentitäten aus. Auf Green Lantern Hal Jordan folgte der schwarze Architekt John Stewart, dann der Hitzkopf Guy Gardner und der Designer Kyle Rayner. Keiner hatte das Zeug, zu einer Ikone wie Superman oder Batman zu werden, und immer wieder kramte man Hal Jordan aus dem Ruhestand oder sogar aus dem Jenseits zurück, weil nicht mal ein unstetiger Status Quo unstetig genug war.
Superman, Batman und Wonder Woman hingegen wandelten sich wie die Marvel-Figuren, assimilierten Stimmungen und Nebencharaktere aus den Adaptionen in Kino, Radio oder TV-Serien mit echten Schauspielern oder Zeichentrickfiguren.
Die Sackgasse, dass Superman und Batman sowohl mit den Golden Age Helden als auch mit den Silver Age Helden interagiert hatten, löste man mit einem zweiten Clark Kent und einem zweiten Bruce Wayne aus einer Parallelwelt, die ganz exakt genauso waren, nur älter.
Und beide Ansätze funktionierten. Marvel ersann immer neue Generationen an X-Men, gab Mr. Fantastic und der Unsichtbaren Kinder, verheiratete Spider-Man mit Mary Jane und Cyclops mit Jean Grey. Und führte immer neue Figuren ein. Die New Warriors. Darkhawk. Die Runaways. Gravity. Und die klassischen Helden wurden höchstens mal für eine Storyline durch einen Ersatz ausgetauscht, und hinterher gab es dann zwei Captains America. Zwei Thore. Oder zwei Iron Men.
DC hingegen hatte Superman, Batman und unzählige Legacy Figuren. Alle 20 Jahren ein neuer Flash. Fünf Robins. Auf die Justice Society folgte die Justice League, die Titans, Young Justice.
Bis beide Verlage kurz vor dem Millenniumswechsel versuchten, den jeweils anderen zu kopieren, um noch erfolgreicher zu sein. Marvel erfand und verschmolz Paralleluniversen, schrieb die Geschichte um (Spider-Man war nie verheiratet!) und stellte keine neuen Superhelden, sondern Legacy Charaktere vor.
DC hingegen verrannte sich in der fixen Idee des “einzig wahren [Superheldenname hier einfügen]” und versucht seit fünfzehn Jahren vergeblich, den Status Quo der 70er und 80er wiederherzustellen, egal zu welchem Preis.
Trauriger Höhepunkt bei DC war das New 52 Universum. In dem alle plötzlich wieder zehn, fünfzehn Jahre jünger waren. Keiner mehr verheiratet war. Und Legacy Charaktere wie Wally West oder Donna Troy oder Jack Knight oder Kate Spencer plötzlich nie existiert haben.
Alles war zynischer, brutaler, Superman bekam die neue Superkraft, wie eine Atombombe zu explodieren, und der Joker stahl sein eigenes abgeschnittenes Gesicht aus der Asservatenkammer.
Und dann hatte man sich gerade daran gewöhnt und damit abgefunden, hatte die Serien mit LGBTQ-Charakteren und anderen Minorities schätzengelernt, und jetzt schmeißen sie schon wieder alles um.
Aus meiner Sicht endete das Silver Age in den 70ern und wurde durch das Iron Age ersetzt. Alles war gesellschaftskritischer und ernster. Figuren wie Punisher und Wolverine wurden eingeführt, Gwen Stacy starb, wir bekamen Watchmen und Dark Knight Returns.
Wenn wir das “zwanzig Jahre”-Schema weiterspinnen, dann wurde das Iron Age in den späten 90ern durch das Alumimium oder Retro Age ersetzt, als alle Stati Quo ständig zurückschritten, alte Line-Ups und Identitäten wiederhergestellt wurden und Nostalgie zu inzestuös-selbstreferenzieller Stagnation führte.
Zeit für ein neues Zeitalter.
Ich bin mit Sicherheit am wenigsten DC- und Marvel-Experte von allen hier und möchte mir deshalb nicht anmaßen, bzgl. der Comics mitzumischen (tendiere aber im Großen und Ganzen persönlich zu ben_s Standpunkt und verstehe Markus’ Frustration). Was ich aber aus meiner Sicht sagen würde: Das größte Problem (für DC) ist, dass DC reagiert, während Marvel agiert. Solange es so bleibt, wird DC verlieren und mehr falsch machen, als Marvel (die vieles richtig machen, aber auch nicht alles).
Nachtrag: Die Helden, die ich vor der MCU kannte: Superman, Batman, Supergirl, Wonder Woman, Spider-Man, Iron Man, Captain America, Fantastic Four, Thor, Hul, Wolverine, X-Men, Avengers, Daredevil.
Oh. Michael. Danke für alle diese Ausführungen. Da lernt man ja noch was. Super.