Danny Gregory
17.07.2009
Danny Gregory hat Bücher über das Zeichnen geschrieben. Nicht irgendwie solche „Wie lerne ich in 48 Stunden mit Acryl Energiebilder zu malen“, sondern Bücher, die sich mit dem Zeichnen als Lebensauffassung befassen. Dabei sind mehrer Bücher zustanden gekommen, die so voll Inspiration und Gedankengut stecken (das im übrigen auch für Leser spannend sein dürfte, die gar nicht zeichnen wollen), dass es eine Wonne ist. Im folgenden möchte ich meine beiden liebsten Gregory-Bücher einmal etwas genauer vorstellen. Zu Anfang ein Juwel, über das ich gestolpert bin, und das in den vergangenen vier Wochen ganz bestimmt in meine Top 5 aller Bücher aufgestiegen ist:
Everyday Matters
Auf dem wundervollen Weblog „Parka Blogs” entdeckte ich dieses Buch „Everyday Matters“ von besagtem Danny Gregory. In diesem veröffentlicht Gregory sein gezeichnetes Tagebuch. Das alleine wäre schon einen Lesetipp wert. Nimmt man jedoch die Umstände hinzu, die ihn erst dazu brachten, überhaupt mit dem Zeichnen an sich und vor allem mit dem „Journaling“ – also dem gezeichneten Tagebuch – zu beginnen, so ist das Buch für jeden lesenswert, der Inspiration in seinem Leben sucht.
Alles begann mit einem Unfall seiner Frau Patti, die kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes von drei Waggons der New Yorker U-Bahn überrolt, von einem Moment zum nächsten querschnittsgelähmt war. Dieses Ereignis brachte die gesamte heile Welt des einfachen Großstädters Danny Gregory so sehr ins Wanken, dass es ihn dazu nötigte einen Weg zu finden, damit umzugehen. Wo andere vielleicht mit dem Saufen beginnen oder in ein Loch fallen, dass tiefer ist als das in „Garden State”, kaufte er sich jedoch ein Skizzenbuch, ein paar Stifte und begann über sein Leben zu zeichnen. Aus dem Nichts.
Die Bilder sind aus technischer Sicht weit von Perfektion entfernt. Einen schönen Eindruck bekommt man in Gregorys Flickr-Set. Die Zeichnungen haben dabei aber einen so authentischen Stil und Strich, dass es einen so sehr berührt und inspiriert, dass man selbst direkt zum Stift greifen möchte. Man begreift umgehend, dass es hier um mehr ging, als einfach etwas abzubilden. Es sollte es festgehalten werden. Ein Eindruck. Ein Augenblick.
I don’t really consider myself an artist but I do love to draw New York. Sometimes I set out with something in mind—I did a series of drawings of crime scenes, for instance—but mainly, I just sit on the sidewalk when the feeling grabs me and draw what’s across the street.
Danny Gregory in einem Interview, Quelle: The Morning News
Die dazu geschriebenen Kommentare, die zusammenfassen, was wir dort sehen und wie Gregory während dieser schwierigen Zeit gefühlt hat, machen aus „Everyday Matters“ eins der wundervollsten Bücher, die mir in den vergangenen Jahren untergekommen sind. Seitdem ist es ein ständiger Begleiter in meiner Tasche und ich hole es immer mal wieder hervor und blättere darin herum. Irgendwie geht es mir danach immer ein klein wenig besser.
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The Creative License
Natürlich wollte ich mehr wissen über diesen Mann. Deshalb besorgte ich mir als Urlaubslektüre sein weiteres Buch „The Creative Licence“. Dort, wo „Everyday Matters“ ein Journal war, so ist „The Creative Licence“ eine Art Sachbuch übers Journaling. Also dem Tagebuchverfassen; natürlich mit dem Fokus auf das gezeichnete Tagebuch. Was das bedeutet und wie man dahin kommt. Was das Buch aber auch ist: Eine Lektüre darüber, dass jeder der das will, auch zeichnen kann, oder darf. Denn man muss sich das nur „erlauben“:
The ability to draw is not inherited, any more than the ability to speak french. Children of „talented“ parents are simply more likely to be born with permission to draw. Give yourself the same permission.
Danny Gregory
Aufgebaut ist das Buch in verschiedene Teile. Zu Beginn richtet es sich erst einmal an die Anfänger, also alle jenen, die das Thema zwar „irgendwie spannend” finden, jedoch von sich eben behaupten, gar nicht zeichnen zu können und dass es deshalb auch nichts für sie ist. Ihnen zeigt Danny Gregory nicht nur auf, dass es nie zu spät ist, damit anzufangen das Zeichnen zu lernen bzw. dass die meisten nur zu früh damit aufgehört haben.
Sprich: Ich kenne kein Kind, dass nicht mit Freude ein paar bunte Stifte in die Hand nimmt und fröhlich drauf los malt. Die Welt, so wie es sie sieht: Die Wolken sind blau, die Sonne immer rechts oben und natürlich hat der Schmetterling eine Nase. Da werden Eindrücke vermischt mit Wissen und Fantasie. Die linke Hirnhälfte bläst zum Sturm. Dann, ab einem gewissen Alter verbinden sich die linke und rechte Hirnhälfte und das Kind bemerkt die Fehler in seinen Zeichnungen und resigniert. Ist dann nicht jemand zur Stelle, der das Kind ermutigt, dass es in der Kreativität Fehler an sich gar nicht gibt, ist Schluss und der Impuls, sich kreativ auszutoben bald verschüttet.
Danny Gregorys Buch setzt – für alle, die sich im letzten Absatz wiederfinden – genau dort an. Wer das verstanden hat, und den Mut des Kindes wieder entfacht, den nimmt Gregory mit zum Journaling, Erklärt, dass es nicht darum geht, das perfekte Bild zu zeichnen, sondern dass es ausschließlich ums Zeichnen als Ausdrucksform und als Erinnerungsspeicher geht. Darum, dass festzuhalten oder vielleicht auch loszuwerden, das einen beschäftigt.
Im weiteren Verlauf erläutert Gregory seine Sicht über das Journaling. Er gibt Impulse, für und durch das Zeichnen seine Umwelt wieder oder erstmals wirklich wahrzunehmen. Eine meiner liebsten Übungen geht zum Beispiel so:
Kauf Dir einen Bagel (oder ein Brötchen) mit Sesam drauf. Leg ihn hin, zeichne die Form des Bagels und dann jeden einzelnen Korn genau dorthin wo er ist. Male nicht irgendeinen Bagel, male diesen Bagel. Bei Gregory sieht das dann so aus. Eine weitere schöne Übung? Zeichne den Grundriss des Hauses, in dem du aufgewachsen bist.
Ein weiterer Schwerpunkt richtet sich an alle „Drückeberger”. Jene die keinen Mut finden zu beginnen oder nach Gründen suchen mit dem Journaling wieder aufzuhören. Du hast keine Zeit zu zeichnen? Frei nach Gregory möchte ich erwidern: Hör doch einfach auf dieses Blog zu lesen und schon hast du 10 Minuten mehr Zeit. Und im Journaling entsprechen 10 Minuten ziemlich genau einer Zeichnung.
Abgerundet wird das Buch natürlich durch Unmengen an Illustration. Nicht nur von Gregory selbst, sondern auch von anderen Menschen, die „Journals“ führen.
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